Wohnimmobilienkreditrichtlinie
Die WohnImmobilienkreditrichtlinie (kurz WIKR oder auch WoKri) betrifft angehende Bauherren und Immobilienkäufer, die einen Immobilienkredit aufnehmen möchten. Seit 2016 wirksam, wurde sie im Jahr 2017 aufgrund anhaltender Kritik entschärft. Die ursprüngliche Form der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und ihre besonders restriktive Umsetzung in Deutschland erschwerte es vielen Immobilieninteressenten, ein Darlehen zur Baufinanzierung bei der Bank zu erhalten.
Was ist die Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR bzw. WoKri)?
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie bezieht sich auf die private Baufinanzierung und legt die Voraussetzungen fest, unter denen Banken Darlehen an Verbraucher vergeben dürfen. Das Ziel ist es, sowohl Verbraucher als auch Banken bei der Kreditvergabe besser zu schützen. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie gilt für alle Darlehensverträge, die nach dem 20.03.2016 geschlossen werden. Im Jahr 2017 wurde sie aufgrund anhaltender Kritik in einigen Punkten entschärft. Der Grund für die Anpassung war, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen es durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie schwerer hatten, ein Darlehen zu erhalten.
Kritik an der ursprünglichen Wohnimmobilienkreditrichtlinie: besserer Verbraucherschutz, erschwerte Kreditaufnahme
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde sowohl von Verbraucherschützern als auch von Banken stark kritisiert, weil sie es für bestimmte Gruppen schwerer macht, einen Kredit aufzunehmen. Dazu gehören etwa junge Familien, Selbstständige oder Rentner, die Bauherr werden oder eine Immobilie kaufen möchten.
Wozu dient die Wohnimmobilienkreditrichtlinie?
Das Ziel der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist es, den Verbraucherschutz bei der Vergabe von Immobiliendarlehen zu stärken. Die Beratung durch die Bank oder den Kreditvermittler soll verbessert werden. Kunden sollen über die Risiken der Baufinanzierung genau aufgeklärt werden. In diesem Zuge muss die Bank gründlich prüfen, ob der Kunde später in der Lage sein wird, den Kredit zurückzuzahlen. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie bedeutet also:
- Bessere Beratung der Kunden bei der Kreditvergabe
- Strengere Prüfung der Voraussetzungen für die Kreditvergabe
Ein festgelegtes Prüfschema für die Darlehensvergabe existiert dabei nicht. Banken gehen unterschiedlich mit der Umsetzung der WIKR (WoKri) um. Gängige Praxis der Banken ist es, Merkblätter mit vorvertraglichen Informationen (VVI oder VV) unterschreiben zu lassen, um sich abzusichern.
Kunden erhalten ein Beratungsprotokoll, das die Bank ausstellen muss, um nachzuweisen, dass der Antragsteller ausreichend über Rechte und Pflichten aufgeklärt wurde. Die Bank bestätigt damit die Kreditwürdigkeit des Antragstellers. Stellt sich das Immobiliendarlehen im Nachhinein als zu teuer heraus und können die Zinsen nicht gezahlt werden, kann die Bank zur Rechenschaft gezogen werden und muss Schadensersatz leisten.
Wirklich ein Vorteil? Was die WIKR für Verbraucher bedeutet
Eines der Hauptziele der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist es, den Verbraucherschutz zu stärken. Es soll verhindert werden, dass sich Kreditnehmer für die Aufnahme eines Kredites entscheiden, dessen Tilgung sie später nicht leisten könnten.
Indem die Bank die Kreditwürdigkeit nicht mehr nur zum aktuellen Zeitpunkt, sondern auch für die Zukunft prüft, soll der Verbraucher davor bewahrt werden, einen Kredit aufzunehmen, den er später nicht zurückzahlen kann.
Leider wurde dieser vermeintliche Vorteil durch die restriktive Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Deutschland für viele Gruppen zu einem Nachteil: Auch Personen, die durchaus in der Lage wären, einen Kredit zurückzuzahlen, werden oft als nicht kreditwürdig eingestuft.
Anstelle die Verbraucher vor der Schuldenfalle zu bewahren, konnte die Wohnimmobilienkreditrichtlinie die finanzielle Freiheit bzw. die Kreditmöglichkeiten stark einschränken – oftmals zu Unrecht, da die individuelle Situation des Antragstellers nicht ausreichend beleuchtet wird.
Schadensersatz bei Falschberatung
Banken oder Kreditvermittler werden seit der Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie für eine Fehlberatung zur Verantwortung gezogen. Bei einer Falschberatung sind sie zu Schadensersatz verpflichtet. Das bedeutet, dass Banken, um sich abzusichern, die Bonität des Kreditnehmers allein schon aus eigenen Interessen besonders kritisch prüfen. Somit wird der Vorteil der Absicherung für Kreditnehmer gleichzeitig zum Nachteil: Die Möglichkeiten der Baufinanzierung mithilfe eines Kredits sind für viele deutlich eingeschränkt, die sie den strengen Kriterien nicht standhalten können.
Das Problem verschärfte sich in der ursprünglichen Form der Wohnimmobilienkreditrichtlinie sogar noch: Die Regelungen, die in der Wohnimmobilienkreditrichtlinie festgelegt werden, besitzen teilweise einen Deutungsspielraum. Im Zweifel wird jede Bank also strengere Maßstäbe anlegen als dies gefordert ist, um auf der sicheren Seite zu sein. Spätere Anpassungen verbesserten diese Situation und machten es auch für Selbstständige, junge oder alte Menschen einfacher, einen Kredit zur Baufinanzierung zu erhalten.
Kriterien für die Aufnahme eines Immobilienkredits oder Renovierungskredits
Vor dem Hintergrund der Wohnimmobilienkreditrichtlinie muss die Bank die Bonität des Antragstellers für den Immobilienkredit genau prüfen. Das Einkommen und das frei verfügbare Vermögen werden bei der Kreditvergabe streng untersucht. Dabei nimmt die Bank nicht nur die aktuelle Situation unter die Lupe: Es soll auch sichergestellt werden, dass der Kreditnehmer die Raten später zurückzahlen kann. Daher wird auch die zukünftige Entwicklung der Finanzsituation durchgerechnet, um die gesamte Laufzeit des Darlehens abzudecken. Für Verbraucher, die einen Kredit aufnehmen möchten, bedeutet das unter Umständen: Sie erhalten kein Darlehen, obwohl sie aktuell in der Lage wären, die Zinsen zurückzuzahlen.
Kreditwürdigkeitsprüfung bei der Wohnimmobilienkreditrichtlinie
Lebensalter
Das Alter spielt für die Vergabe eines Darlehens zur privaten Baufinanzierung eine große Rolle. Auch in höherem Alter muss der Kreditnehmer in der Lage sein, die Raten der Baufinanzierung zurückzuzahlen. Jungen Antragstellern fehlt oft die finanzielle Sicherheit bzw. das nötige Eigenkapital. Somit sind sowohl ältere als auch jüngere Menschen von der Wohnimmobilienkreditrichtlinie im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen benachteiligt.
Arbeitsplatz
Die Branche, in der der Antragsteller arbeitet, wird bei der Berechnung der zukünftigen Kredittilgung berücksichtigt. Ein sicherer Arbeitsplatz ist ein positives Kriterium. Die Arbeit in einer Branche mit unsicheren Zukunftsaussichten oder drohende Arbeitslosigkeit können zu einer Ablehnung des Kreditantrags führen. Bei Selbstständigen prüft die Bank, ob das aktuelle Einkommen erwartungsgemäß auch in Zukunft erzielt werden kann.
Familienplanung
Ist die Gründung einer Familie geplant, beeinflusst das die finanzielle Situation in der Zukunft. Die Bank kalkuliert diese mögliche Entwicklung mit ein. Junge Paare können hier benachteiligt sein.
Mögliche Wertsteigerung der Immobilie
Die Entwicklung des Preises der Immobilie wird von der Bank vor der Kreditvergabe abgeschätzt. Bei einer guten Prognose wird die Kreditaufnahme zu günstigen Konditionen einfacher. Andernfalls kann ein Risikoaufschlag gefordert werden, so dass sich die Zinsen erhöhen, oder es kann mehr Eigenkapital gefordert werden.
Absicherung des Kreditnehmers
Die persönliche Absicherung des Kreditnehmers ist ein wichtiges Kriterium für die Einschätzung der Bonität durch die Bank. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine Risikolebensversicherung etwa wirken sich als Sicherheiten positiv auf die Kreditwürdigkeit aus.
Das Haus reicht als Sicherheit für die Immobilienfinanzierung seit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie nicht mehr aus. Für Renovierungskredite gilt diese Regelung allerdings nicht europaweit. In Deutschland wurde die WIKR in ihrer ursprünglichen Fassung besonders streng umgesetzt: Auch bei Renovierungen wurde die Immobilie nicht als alleinige Sicherheit für einen Kredit akzeptiert. Das (aktuelle und zu erwartende) Einkommen musste für die Finanzierung ausreichen. Die Regelung wurde in der Entschärfung der Richtlinie 2017 gelockert.
Geändertes Widerrufsrecht für die Baufinanzierung
Für Kreditnehmer änderte sich mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie auch das Widerrufsrecht für Darlehensverträge. Gab es früher das Recht auf ewigen Widerruf bei der privaten Baufinanzierung, besteht seit der Umsetzung der Richtlinie ein eingeschränktes Widerrufsrecht: 12 Monate und 14 Tage nach Abschluss des Darlehensvertrags.
Auswirkungen der WIKR (WoKri) für Senioren
Die ursprüngliche Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie erschwerte Senioren die Aufnahme eines privaten Darlehens zur Baufinanzierung. Genau diese Gruppe ist jedoch häufig auf einen Immobilienkredit angewiesen – zum Beispiel, um das Eigenheim barrierefrei bzw. altersgerecht umzubauen oder notwendige Renovierungen vorzunehmen.
Die statistische Lebenserwartung von Senioren wird von der Bank bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit berücksichtigt. Liegt das statistische Durchschnittsalter unter der Laufzeit, lehnt die Bank den Kredit ab. Es ist möglich, dass der Kreditnehmer vor der vollständigen Rückzahlung stirbt und das Darlehen nicht vollständig zurückzahlen kann.
Auswirkungen der WIKR (WoKri) für EU-Bürger
Personen, die ihr Gehalt aus dem Ausland beziehen, das nicht zur EU gehört, sehen sich ebenfalls vor Probleme gestellt: Wird der Kredit in der Euro-Währung abgeschlossen, hat der Kreditnehmer besondere Rechte, wenn es zu einer Änderung des Wechselkurses kommt. Verändert sich dieser um mehr als 20 Prozent, ist er dazu berechtigt, den Kredit in seine Heimatwährung umzuwandeln. Das entsprechende Risiko für die Wechselkursänderung beim Fremdwährungskredit trägt die Bank – die in solchen Fällen geneigt ist, von einer Kreditvergabe abzusehen.
Auswirkungen für junge Familien
Bei jungen Familien, die einen Immobilienkredit aufnehmen möchten und Nachwuchs planen, befindet sich über kurz oder lang ein Elternteil in Elternzeit – das gemeinsame Einkommen sinkt. Bei der Bonitätsprüfung vor der Kreditvergabe betrachtet die Bank daher die Familienplanung der Interessenten für den Immobilienkredit sehr genau. Ist eine größere Familie geplant, kalkuliert das Kreditinstitut entsprechende Verdienstausfälle ein. Befindet sich hingegen zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Elternteil etwa in einer Halbtagsbeschäftigung, die später wieder aufgestockt werden soll, wird die aktuelle Situation zugrunde gelegt, da eine mögliche spätere Verbesserung keine ausreichende Sicherheit darstellt.
Auswirkungen auf die Anschlussfinanzierung
Auch auf die Realisierung der Anschlussfinanzierung trotz Schufa wirkte sich die Wohnimmobilienkreditrichtlinie in ihrer Ursprungsform für viele negativ aus: Sie sah eine erneute Prüfung vor. Seit der Entschärfung 2017 ist dies nicht mehr notwendig. Lediglich bei einem Wechsel der Bank ist sie notwendig.
Entwicklung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie: Entschärfung der Regelung
1. Verabschiedung der WIKR (WoKri)
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde am 4. Februar 2014 vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat beschlossen. Die Richtlinie 2014/17/EU gilt für alle EU-Mitglieder. Bis zum 21. März 2016 sollte sie in nationales Recht umgesetzt werden. Zusätzliche Regelungen in Deutschland verschärften die Richtlinie dabei noch. Im Bundestag wurde am 11. März 2016 das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften beschlossen.
Die Richtlinie 2014/17/ЕU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (Wohnimmobilienkreditrichtlinie, ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 34) ist bis zum 21. März 2016 in deutsches Recht umzusetzen. Darüber hinaus sollen entsprechend der Vereinbarung des Koalitionsvertrags Regelungen zur Beratungspflicht des Darlehensgebers für Fälle vorgesehen werden, in denen das Konto dauerhaft oder erheblich überzogen wird.
Quelle: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
2. Kritik an der WIKR (WoKri) und Anpassung
Bei vielen Verbrauchern führte die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu Unmut, da sie sich eher benachteiligt als geschützt sahen. Kreditinstitute kritisierten die Unklarheit der Angaben. Die Banken legten immer dann, wenn ein Interpretationsspielraum gegeben war, die Vorgaben der WIKR (WoKri) sehr strikt aus, um sich abzusichern. Somit gingen viele Interessenten für einen Kredit zur Immobilienfinanzierung leer aus.
- Ein Reformentwurf im Bundestag, der im Oktober 2016 eingebracht wurde, hat das Ziel, die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu entschärfen. Am 12. Mai 2017 passierte ein entsprechender Gesetzesentwurf der Bundesregierung den Bundesrat.
- Das Finanzaufsichtsrechtsergänzungsgesetz wurde am 30. März 2017 beschlossen und trat im Juni 2017 in Kraft. Ab dem 1. Juli 2018 erhalten zusätzlich zwei weitere Passagen des Gesetzespaketes Gültigkeit.
Die Neuerungen sollen als Klarstellung bzw. Interpretationshilfe die Unklarheiten beseitigen, die dazu geführt hatten, dass Banken die Kriterien zur Kreditvergabe an Gruppen wie junge Familien oder ältere Menschen so streng genommen hatten.
Verbesserung der Situation für benachteiligte Gruppen
Durch die Anpassung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie soll die Benachteiligung bestimmter Gruppen verbessert werden. Dies geschieht unter anderem dadurch, dass der Verwendungszweck des Immobilienkredits mit betrachtet wird.
Verwendungszweck erhält Relevanz
Darlehen zum Umbau oder zur Renovierung einer Wohnimmobilie sind nun von der Regelung ausgenommen. So erhält der Wert der Immobilie in bestimmten Fällen wieder mehr Gewicht bei der Berechnung der Kreditwürdigkeit. Die aktuelle Bonität und Absicherung des Kreditnehmers sind nicht mehr die alleinige Voraussetzung, um ein Darlehen zu erhalten. Somit sollte eine Normalisierung vor allem für junge Familien, ältere Kreditnehmer und Selbstständige erzielt werden.
Keine erneute Prüfung bei Anschlussfinanzierung oder Umschuldung
Eine weitere Änderung betrifft die Prüfung der Kreditwürdigkeit bei einer Umschuldung oder Anschlussfinanzierung: Nur wenn der Nettodarlehensbetrag sich um mindestens zehn Prozent erhöht, ist sie erforderlich.
Zu erwartende finanzielle Situation in der Zukunft
Nicht mehr nur die aktuelle finanzielle Lage ist seit der Anpassung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie von Bedeutung: Die Bank darf bei der Prüfung der Bonität Faktoren mitberücksichtigen, die auf eine Verbesserung der finanziellen Situation in der Zukunft hindeuten. Ausschlaggebend ist dies zum Beispiel für Familien, bei denen sich ein Elternteil in Elternzeit befindet. Endet diese, kann von einer Erhöhung des gemeinsamen Einkommens ausgegangen werden.
Ausschluss von Immoblienverzehrkrediten
Immobilienverzehrkredite oder Umkehrhypotheken schließt die Änderung ebenfalls von der Wohnimmobilienkreditrichtlinie aus. Diese können nun von Senioren wieder genutzt werden, um im Alter die Rente aufzustocken, indem Sie ein Darlehen aufnehmen, für das die Immobilie als Sicherheit dient.
Kleindarlehen sind von der Wohnimmobilienkreditrichtlinie übrigens grundsätzlich ausgenommen. Sie gilt für alle grundbuchbesicherten Immobilienkredite. Wer einen Kleinkredit oder einen Minikredit aufnimmt, um sich eine Finanzierungshilfe für Renovierung oder Sanierung zu holen, der ist von der Regelung nicht betroffen.